Weltüberlastungstag – alles ist verbraucht.

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Am 29. Juli ist der globale Earth Overshoot Day (Weltüberlastungstag oder Erderschöpfungstag) für das Jahr 2019. Früher denn je. Heute haben wir die Ressourcen aufgebraucht, die unser Planet innerhalb des Jahres wieder erneuern kann. Bereits nach 7 Monaten haben wir weltweit das Budget an CO2-Ausstoß, Abholzung, Fischfang, landwirtschaftlicher Flächennutzung, fossilen Rohstoffe usw. aufgebraucht und damit überschreiten wir eine gefährliche rote Linie. Unser ökologischer Fußabdruck ist weit größer als die Biokapazität der Erde.
K1600__1790219Die Biokapazität bedeutet, dass die Erde jährlich (natürlich rechnet die Erde nicht in Jahren, aber wir können es so runterbrechen) eine bestimmte Menge an Ressourcen „zur Verfügung“ stellt (was uns natürlich immer noch kein Recht gibt, diese ausnutzen und zu erschöpfen) und eine bestimmte Menge an Verschmutzung absorbieren kann. Wir hören aber nicht heute auf mit unserem Konsum. Wir machen weiter, im selben verschwenderischen Maße, bis Dezember. Weitere 5 Monate. Dadurch brauchen wir die Ressourcen von 2020 schon 2019 fast auf. Da aber auch die letzten Jahre schon die Ressourcen von diesem und den kommenden Jahren aufgebraucht wurden, haben wir eigentlich jetzt schon kein Budget mehr für die nächsten Jahre. Wir sind durch. Wir bräuchten im weltweiten Durchschnitt 1,7 Erden, Tendenz steigend. Wir leben über unsere Verhältnisse.

K1600__1800179Dieses Datum ist beispielhaft für unseren verschwenderischen Lebensstil und unsere ausbeuterische Wirtschaftsweise. In Deutschland lag der Weltüberlastungstag bereits auf dem 3. Mai; wir leben auf Kosten von 3,2 Erden. Ein Fünftel der Weltbevölkerung, also 1,5 Milliarden, verbrauchen rund 80 % des weltweiten Konsums. Und allein diese 80 % sind zu viel für den Planeten. Wir sind in der EU sind ALLE Teil dieses Fünftels. Wir nehmen damit anderen Menschen und zukünftigen Generationen die Lebensgrundlagen weg. Für mich, meine Kinder (sollte ich welche bekommen) und Enkel*innen ist nichts mehr übrig, es gibt kein Budget mehr. Und sobald das Budget überschritten wird, wird es gefährlich. Sehr gefährlich, gefährlicher als wir es uns jetzt ausmalen können. Ressourcenverknappung, die zu Privatisierung und letztendlich Kriegen führt, die Bodenqualität für die Landwirtschaft nimmt ab, Millionen Arten sind vom Aussterben bedroht, Wälder werden gerodet oder brennen durch die Erderhitzung ab. Die Atmosphäre erhitzt sich unaufhaltsam. Bald werden erste Kipppunkte überschritten, was bedeutet, dass Öko- und Klimasysteme den aktuellen stabilen Zustand nicht mehr halten. Damit würden wir in eine Ära kommen, wie die Menschheit es noch nie erlebt hat. Und das macht mir Angst.

K1600_DSC08032Wir müssen also das Datum des Weltüberlastungstages nach hinten verschieben, sodass es irgendwann mindestens beim 31.12. liegt – denn besser wäre es natürlich, wenn wir gar nicht alles aufbrauchen würden, sondern Luft nach oben hätten. Ich schreibe im Konjunktiv, weil es lachhafter Optimismus wäre, daran zu glauben, dass wir dazu in der Lage sind. Mit unserem Lebensstil müssen wir auf „Nettonull“ kommen. Das heißt, dass wir eben nicht mehr verbrauchen, als die Erde durch natürliche Prozesse auffangen kann. Gerade bei Treibhausgasemissionen ist es dafür allerallerallerhöchste Eisenbahn. Wenn man die globale CO2-Kurve betrachtet, geht sie (immer noch) steil nach oben. Da wir bis 2050 global auf Nettonull sein  müssen, um eine realistische Chance zu haben, die Erderhitzung auf 1,5 °C zu begrenzen, muss diese Kurve steil nach unten gehen. Und zwar ab JETZT SOFORT! Eigentlich ist es schon zu spät, aber noch können wir etwas reißen, wenn wir uns wirklich ernsthaft anstrengen und wirklich ernsthaft nahezu alles verändern.

K1600__1800464Da wir als Industrieland wie schon erwähnt besondere Verantwortung tragen, sollten wir bereits 2030 oder 2035 auf Nettonull Treibhausgasemissionen sein. Das bedeutet drastische Reduktionen durch eine schnelle Energiewende, eine Agrarwende und eine Mobilitätswende. Und die großen Veränderungen schaffen wir nur durch gesellschaftliche Veränderungen, durch alternative Lebensstile und durch eine neue Ausrichtung von wirtschaftlichen Werten. Menschlichkeit und der Erhalt der Erde müssen über Profit und eine egoistische, rein spaßorientierte Lebensweise gestellt werden. Wir sind alle Menschen, die etwas verändern können. Wir haben alle einen Einfluss. Jeden Tag können wir mehrmals entscheiden, welche Systeme und Produktionsweisen, welche Politik und welche Werte wir vertreten und unterstützen. Gleichzeitig haben große Konzerne mit enormem CO2-Ausstoß eine unglaubliche Machtposition durch: Geld. Trotzdem sollten wir unsere Macht nicht unterschätzen. Wir sind viele. Wir sind 82 Millionen in Deutschland und über 7 Milliarden weltweit. Wir können Druck ausüben. Druck durch Protest, Druck durch unser politisches Stimmrecht, Druck durch unser Kaufverhalten. Dieser Druck muss stärker werden. Fridays For Future protestiert seit fast 8 Monaten und trotzdem hat sich politisch nichts getan. Also wirklich nicht. Es gab nette Worte, Lob für unser „Engagement“ und ein Klimakabinett, das noch rein gar nichts gemacht hat.
K1600_photo5278329384912137228Dabei bräuchten wir ein Klimaschutzgesetz in Deutschland. Wir bräuchten einen schnellen Kohleausstieg, weit vor 2038. Genauer gesagt: JETZT! Wir bräuchten eine CO2-Besteuerung, die wirklich etwas bringt und einen angemessenen Preis trägt. Wir bräuchten den Stopp von Subventionen und Importen von fossilen Energieträgern. Wir bräuchten ein Verbot von Inlandsflügen und eine Kerosinsteuer. Wir bräuchten ein Tempolimit. Wir bräuchten weniger Massentierhaltung, eigentlich gar keine. Wir bräuchten so vieles, aber der Druck fehlt. All das würde uns helfen, das Datum nach hinten zu verschieben – Stück für Stück in Richtung 31.12. Und das können wir nur gemeinsam schaffen, weltweit – wenn wir alle gemeinsam diese Werte vertreten, leben und verbreiten. Es gibt keine Zeit mehr für faule Ausreden. Es ist Zeit, zu rebellieren, gegen dieses System!

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