Ich trinke nicht, Punkt.

Ich habe mir sagen lassen, dass Menschen meinen Blog vermissen – ich bin ehrlich ein bisserl gerührt. Auf Instagram bin ich sehr aktiv, aber zugegeben hält sich meine Motivation, hier zu schreiben, manchmal in Grenzen, da es nicht besonders viele Leute lesen. Wenn ihr also gut findet, was ich hier schreibsele, dann teilt es gerne mit anderen Menschen – da freu ich mich ’nen Keks. Und jetzt zum Thema:

Ich trinke keinen Alkohol. Das habe ich noch nie, und das mag sich eines Tages ändern, aber vielleicht auch nicht.

Bei den meisten geselligen Events spielen alkoholische Getränke eine mehr oder weniger zentrale Rolle und die meisten Menschen trinken – außer denen, die fahren. Das variiert vom gemütlichen Bier am Abend, dem deliziösen ‚Weinchen‘, einem Sektanstoß bei förmlicheren Veranstaltungen bis hin zu Alkohol-dominierten Partys inklusive Trinkspiele und je nachdem, wie weit man es treibt, bis zum reinen Besaufen. Die Stimmung variiert entsprechend.
Ich bin meistens diejenige, die dankend ablehnt – und je nach Kontext und Situation beginnen dann die Fragen: „Trinkst du denn GAR NICHTS?“ „Aber warum denn nicht?“ „Hast du noch nie was getrunken? Wirklich, NOCH NIE?“ „Hast du es nicht einmal probiert? Aber woher willst du dann wissen, dass du es nicht magst?“. Diese meistens schon ziemlich unangenehmen Fragen sind nicht selten gefolgt von direkten Aufforderungen zum Trinken: „Aber hier, probier doch mal!“ „Da ist auch echt nicht viel Alkohol drin und es schmeckt wirklich gut!“ „So ein bisschen Alkohol ist auch nicht ungesund, also come on!“
Ich kann euch sagen: Es nervt nicht nur, es kotzt mich an.

Angefangen hat es, als ich ungefähr 14 Jahre alt war bei einigen meiner Freund*innen im Rahmen der Fasnet (schwäbisches Karneval). Da ging es los, dass Alkohol plötzlich nicht nur das waren, was die ‚Erwachsenen‘ tranken, sondern meine eigenen Freund*innen. Da wollte ich nicht mitmachen. Es erschien für mich einfach nur DUMM, mit 14 eine Droge zu nehmen, die zum einen noch illegal für mich war und zum anderen anscheinend ziemlich bescheuertes Verhalten hervorrief. Und seitdem empfand ich die Zusammenhänge, in denen ich Alkohol miterlebte, meistens als unangenehm oder gar abstoßend – und deshalb machte ich nicht mit. Es gab für mich nie einen logischen Grund, Alkohol zu trinken, der die Nachteile aufwiegt. Alkohol zu trinken ist NICHT gesund, das ist einfach Fakt. Ja, kleine Mengen sind vielleicht nicht krass ungesund, aber wieso sollte ich mich dem Risiko aussetzen, wo es für mich total unnötig erscheint? Über die Jahre hat sich das bewusste Verweigern von Alkohol bei mir vielleicht auch zu einem kleinen rebellischen Akt gegen den toxischen Gruppenzwang und unreflektierten Umgang mit Alkohol in unserer Gesellschaft entwickelt – und zu einem Teil meiner Identität, auch wenn das nie meine Intention war. Denn aus dem Nicht-Trinken wurde bei mir ein Verweigern sämtlicher Drogen (ich rauche nicht, kiffe nicht, trinke keinen Kaffee – meine krasseste Droge ist Schwarztee). Das ist für mich nicht zwanghaft, sondern irgendwie einfach logisch und sinnvoll. So wie ich auch andere unvernünftige Dinge nicht tun würde, einfach weil sie keinen Sinn ergeben und mehr Schaden als Gutes zu bewirken scheinen. Natürlich können andere machen, was sie wollen. Das ist mir ja relativ egal, denn jede*r kann selbst entscheiden – und sollte das auch!

Aber Trinken ist häufig keine Frage einer rein eigenmächtigen Entscheidung – denn häufig versuchen andere, einem die Entscheidung durch energische Überredungsversuche abzunehmen, oder man ‚entscheidet‘ sich im Gruppenkontext dafür, um dazu zu gehören. Während ich Menschen nie (bewusst) unter die Nase gerieben habe, dass sie auch nicht trinken sollen, wurde ich unendlich viele Male dazu gedrängt, zu trinken. Während meiner Schulzeit kam es sogar vor, dass sich eine Traube von Menschen um mich gestellt hat und versucht hat, mir Alkohol in den Mund zu kippen – kein Scherz; und ‚gute‘ Freundinnen waren dabei. Bei Partys ging es häufig darum, 1) vor allem zu trinken und 2) damit Spaß zu haben, und nicht um 1) Spaß an erster Stelle und 2) vielleicht ein bisschen Alkohol zur Aufheiterung.

Ich war selten bei Partys während meiner Schulzeit; am Wochenende habe ich abends meistens alleine zu Hause gechillt. In der Abizeitung war ich mit Abstand von den meisten abgestimmt in der Kategorie „Wer sollte sich dringend mal betrinken?“. Ähm – niemand?! Niemand SOLLTE sich betrinken, nur weil andere das irgendwie wollen oder erwarten. Natürlich habe ich das damals mit Humor genommen und mir war davor schon klar, dass die Abstimmung auf mich hinauslaufen würde – aber es sagt schon einiges über den gesellschaftlichen Umgang mit Alkohol und die Wahrnehmung von mir in meiner Jugend aus.

Und TRINKSPIELE! Jaaa, ich weiß, Trinkspiele können lustig sein und diesen Spaß möchte ich niemandem verwehren – aber man denke mal einen Moment darüber nach: Der Begriff ‚Trinkspiele‘ sagt ja bereits aus, dass es hauptsächlich darum geht, zu trinken. Meistens ist der Aspekt des Trinkens als eine Art ‚Bestrafung‘ in den Spielen gedacht – wie dumm eigentlich, dass es als ‚Bestrafung‘ angesehen wird, zu trinken; also wieso tut man es dann? Der Gruppenzwang im Kontext von Trinkspielen ist enorm, denn vermutlich wünschen sich die meisten, Teil des Spiels und der Gruppe zu sein. Wer nicht trinkt, ist die ‚Extrawurst‘. In den meisten Trinkspiel-Situationen kommt dann der ultimative Vorschlag: „Du kannst ja Wasser trinken!“ (alternativ: Limo, Saft). Haha, witzig, richtig cool dann. NICHT. Denn als ‚Extrawurst‘ wurde ich in vielen Situationen belächelt, nicht ernst genommen und nicht richtig ins Spiel integriert – und so habe ich mich dann auch häufig gefühlt: seltsam, unwohl, ausgeschlossen. Dazu kommt, dass diejenigen, die nur limitiert trinken wollen, ja häufig angestachelt werden, immer mehr zu trinken, auch wenn sie persönlich eventuell aufhören würden. Der Gruppendruck ist, um es kurz und knapp auf den Punkt zu bringen, TOXISCH.

Generell hat sich mein Umfeld zum Glück verändert und seit ich in Lüneburg wohne genieße ich die Gesellschaft von Menschen, bei denen Alkohol eine minderwertige Rolle spielt und nicht dominiert. Trotzdem gibt es hin und wieder unangenehme Situationen, bei denen Menschen betrunken enden und alle lachen in einer unangenehmen Weise, bei der ich mich ausgeschlossen fühle. Ich werde weiterhin immer wieder gefragt, warum, aber oft eher vorsichtig und neugierig und weniger abwertend oder belächelnd.

Der Umgang mit Alkohol in unserer Gesellschaft ist höchst problematisch. Alkohol ist die am wahrscheinlichsten meist akzeptierte Droge in unserer Gesellschaft und Alkohol zu trinken ist nicht nur total akzeptiert, sondern wird in vielen Kontexten sogar ERWARTET. Alkohol wird nicht selten zelebriert, verherrlicht, und als zentraler Aspekt wahrgenommen. Das Nicht-Trinken wird als ‚absonderlich‘ eingestuft. Unangenehme Situationen insbesondere für Menschen, die wie ich nicht nur in Bezug auf Alkohol als ‚anders‘ wahrgenommen werden, sind keine Ausnahme, insbesondere in Gruppenkontexten. Es kann viele Gründe geben, nicht zu trinken – schlechte oder toxische eigene Erfahrungen, eventuell sogar eine Sucht, selbst oder von Menschen im engeren Umfeld, eine Krankheit, Schwangerschaft, keine Lust auf den Geschmack, einfach nur keinen Sinn darin sehen (wie in meinem Fall) und viele andere. Nervige Nachfragen können für manche Menschen nicht nur nervig, sondern eventuell sogar triggernd und psychisch belastend sein.
Man sollte sich nicht erklären oder rechtfertigen müssen, weil man nicht trinkt. Man sollte nicht in eine Ecke gedrängt und überredet oder gar förmlich dazu gezwungen werden, weil man nicht trinkt. Man sollte sich nicht ausgegrenzt fühlen, weil man nicht trinkt. Es kann doch nicht so schwer sein, in geselligen Runden oder bei Partys eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich alle wohl fühlen, in der Grenzen gegenseitig respektiert und eigene Grenzen richtig eingeschätzt werden.

Die Fahrerin konnte und kann ich übrigens trotz meiner konsequenten Abstinenz nie sein, da ich keinen Führerschein habe – auch aus voller Überzeugung. Und Überraschung: Spaß habe ich im Leben trotzdem!

2 Gedanken zu “Ich trinke nicht, Punkt.

  1. Catrin Kramer schreibt:

    Hallo Lisa,

    ich wollte unbedingt loswerden dass ich eine große Fanin (?! 🙂 Deines Blogs bin. Das ist immer ein großes und Denkanstöße anregendes Lesevergnügen. Weiter so!

    Ganz liebe Grüße!
    Catrin

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